Im Zangengriff zwischen Pandemie und Politik

Das Krisenjahr 2020 forderte die Schweiz heraus. Während die Schweizer Spitäler und Kliniken massgeblich zur Bewältigung der Pandemie beitrugen, setzte sich H+ auf der nationalen Ebene für tragfähige politische Lösungen ein. Das Ziel ist eine Gesundheitsversorgung mit einem optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Die COVID-19-Pandemie traf auf ein weitgehend unvorbereitetes Land. Wie in vielen europäischen Ländern war auch in der Schweiz ein wenig in Vergessenheit geraten, dass Infektionskrankheiten ein treuer Begleiter der Menschheitsgeschichte und trotz medizinischer Fortschritte noch längst nicht überwunden sind. Das neue Coronavirus forderte alle heraus: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Mittendrin in der Krise: die Schweizer Spitäler und Kliniken. Von allen Seiten für ihre enorme Reaktionsfähigkeit und die Professionalität ihres Personals hochgelobt, waren sie letztlich doch weitgehend auf sich selbst gestellt, um die vielen Herausforderungen zu bewältigen.

Offen bleibt bis zum heutigen Zeitpunkt, ob die von Bund und Kantonen angeordneten Vorhalteleistungen, insbesondere die Verbote von elektiven Behandlungen in der ersten Pandemie-Welle, jemals vergütet werden. Letztlich fehlt dafür eine gesetzliche Grundlage. Bestrebungen von H+, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, diese Gesetzeslücke im COVID-19-Gesetz zu schliessen, stiessen im Parlament mehrheitlich auf taube Ohren. H+ wird diese Bestrebungen im Jahr 2021 unbeirrt fortsetzen.

Die unter Druck geratene Sozialpartnerschaft von H+ auf Arbeitgeberseite und SBK und VSAO auf Arbeitnehmerseite erwies sich als belastbar. Dazu trug der von gegenseitigem Respekt geprägte Dialog unter den Sozialpartnern bei, der selbst in den schwierigsten Phasen der Pandemiebewältigung nie abriss. Dieser Erfolg kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Pflegekräfte bis an die Grenzen der Belastbarkeit getrieben wurden. Wie sich diese Erfahrung auf die zukünftige Entwicklung der Pflege in der Schweiz auswirken wird, kann zurzeit nicht vorausgesagt werden.

Kostendämpfende Massnahmen
Die COVID-19-Krise hatte auf die Agenda des Bundesrates über kostendämpfende Massnahmen im Gesundheitswesen keinen nennenswerten Einfluss. So gab er 2020 planmässig das zweite Massnahmenpaket zur Dämpfung der Kostenentwicklung und zwei Verordnungsänderungen über Spitalplanung und Tarifermittlung sowie Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit in die Vernehmlassung. Das erste Paket zur Dämpfung der Kostentenwicklung bzw. die Teile daraus – nationales Tarifbüro und Pauschalen im ambulanten Bereich – befand sich Ende 2020 im Parlament bereits in der Differenzbereinigung. Noch ist ungewiss, ob beide Tarifsysteme, d.h. die ambulanten Pauschalen und der Einzelleistungstarif, als gleichberechtigte Tarife Eingang in die zu gründende nationale Tariforganisation finden werden. H+ setzt sich für diese Lösung ein, die einen dauerhaften Tariffrieden garantieren und eine weitere Zersplitterung der Tariflandschaft beenden würde.

Das zweite Massnahmenpaket beinhaltet den vermutlich kühnsten Wurf seit Einführung des KVG im Jahr 1996. Das Kernelement dieses Paketes ist die sogenannte Zielvorgabe. Darunter versteht der Bundesrat verbindliche Vereinbarungen von Kostenzielen, die eine direkte Steuerung des Ausgabenwachstums in der Grundversicherung ermöglichen. Kostenziele entsprechen somit einer Budgetrestriktion. Den verbindlichen Charakter erhalten die Kostenziele aufgrund vorab definierter Sanktionsmechanismen. Falls sich die Tarifpartner nicht einigen, können Bund und Kantone die Korrekturmassnahmen subsidiär diktieren. Aufgrund dieser Vorgaben kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Zielvorgabe einem klassischen Globalbudget entspricht. Die Bundesverwaltung legt Globalbudgets fest und steuert sie. Was der Bundesrat vorschlägt, entspricht einer Abkehr vom regulierten Wettbewerb und der Einführung einer planwirtschaftlichen, zentralistischen Steuerung des Gesundheitssystems. H+ lehnt einen derart tiefgreifenden Systemwechsel ab, weil er die hohe Qualität der Versorgung und die Innovationskraft des schweizerischen Gesundheitswesens infrage stellt.

H+ als politischer Akteur
Neben dem Beschluss die Referendumsfähigkeit zu erlangen, lancierte H+ als weiteres politisches Instrument Ende 2020 die Öffentlichkeits- und Lobbying-Kampagne «Zukunft Spitallandschaft Schweiz». Die Kampagne zielt darauf ab, einen Marschhalt bei der forcierten Umstrukturierung der schweizerischen Spitallandschaft zu erwirken und eine öffentliche Diskussion über die Zukunft der Schweizer Spitäler in Gang zu bringen. Insbesondere sollen Alternativen zu einem rein kostenorientierten Strukturwandel diskutiert werden. Eine langfristig angelegte, gut überlegte Gesundheitspolitik soll eine Gesundheitsversorgung mit einem optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnis garantieren. Parallel zur Öffentlichkeitskampagne führt H+ einen vom Bundesrat und von der Bundesverwaltung angebotenen Dialog mit dem Ziel, akzeptable Ergebnisse abzuschliessen hinsichtlich der Ermittlung und Entschädigung der COVID-19-bedingten finanziellen Schäden der Spitäler und Kliniken und der Prüfung von Benchmark-Alternativen. Die Maxime des politischen Handelns ist, zu jedem Zeitpunkt verhandlungsfähig zu sein. H+ ist überzeugt, dass sich Glaubwürdigkeit langfristig auszahlt.

Kontakt

Markus Trutmann
Leiter Geschäftsbereich Politik, Mitglied der Geschäftsleitung